Der Stammtisch hat dieses Jahr auf der Messe Gesund Fit und Vital in der Stadthalle Soest mit einem eigenen Stand teilgenommen. Anlaß war die Vorstellung des Stammtisches als Selbst-Hilfegruppe von und für Contergangeschädigte und ihrer Angehörigen und Freunde und der 53. Jahrestag zur Einführung des Schlaf -und Beruhigungsmittels CONTERGAN.
Dafür haben wir eigens Flyer drucken lassen und Wolfgang hatte darüberhinaus die Idee sie zusammen mit einer weißen Nelke als Zeichen der Trauer den Standbesuchern zu überreichen. Jede Blume stand stellvertretend für die vielen Conterganopfer, die aufgrund ihrer schweren Schädigungen schon kurz nach der Geburt oder als Kind verstorben sind und deren Tod die Eltern zusätzlich in tiefe Verzweiflung gestürzt hatten.
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Unser Messestand mit Angela und Wolfgang |
Vielen, besonders den Älteren, ist CONTERGAN durchaus ein Begriff und begegneten uns und unserer Forderung nach einer gerechten und ausreichenden Entschädigung mit großem Ver-ständnis. Einige berichteten selbst von Erfahrungen mit dem Mittel und von Begegnungen mit Conterganern am Arbeitsplatz und im privaten Alltag.
Auch die jüngeren Mitbürger haben uns interessiert zugehört und sich die Geschehnisse von damals und unser Leben und Kampf um Anerkennung, Selbstbestimmung und Würde erläutern lassen.
Bei einem Rundgang durch die Messe haben wir von Selbsthilfegruppen für Prostatakrebs-patienten und Rheumakranke bis zu Wasserbetten, Gewichtreduzierungs -und Wellnesspro-grammen alles Mögliche gesehen. Auch wurden verschiedene Vorträge von Fachleuten zu Gesundheitsthemen abgehalten.
Ich möchte an dieser Stelle auch zwei eher unangenehme Erlebnisse mit Besuchern nicht unerwähnt lassen: Ein Teilnehmer der Messe kam auf uns zu, erzählte etwas von Handauflegen auf unsere Gliedmaßen und Körper und versuchte uns davon zu überzeugen, daß solche Maßnahmen unsere Beschwerden lindern oder gar heilen könnten!
Wie sich später herausstellte, hatte dieser Herr einen Stand, wo er von Geräten zum Schutz vor Elektrosmog und Erdstrahlen bis hin zu Geistheilung und esoterischen Publikationen alles feilbot.
Eine andere Teilnehmerin wollte als „Gegenleistung“ für die Annahme unseres Flyers, daß wir ihr alte Contergantabletten aus der Zeit von 1957 bis 1961 besorgen, damit sie daraus ein homöopathisches Pulver gewinnen könne um Contergangeschädigten, die angeblich bei ihr schon in Behandlung sind, zu helfen! Selbst wenn es noch Tabletten aus dieser Zeit gäbe, so sind sie durch die lange Lagerung mit Sicherheit unbrauchbar, wenn nicht sogar giftig. Dieser
Argumentation wollte sie partout nicht folgen, auch den Verweis darauf, daß der Wirkstoff Thalidomid heute mit besonderer Indikation und Auflagen wieder vertrieben wird und sie versuchen sollte über die Pharmaindustrie daran zu kommen, hat sie nicht akzeptiert. Nur die alten Tabletten könnten helfen, nach dem Motto der Homöopathen Gleiches mit Gleichem zu behandeln. Da wir dieser unbewiesenen Theorie nicht folgen konnten und wollten, hat sie sehr ungehalten reagiert (wir wären intolerant und unqualifiziert) und unseren Flyer wütend hingeschmissen.
Wir wollen alle Contergangeschädigten davor warnen sich auf solche obskuren Behandlungen einzulassen und sich in ihrer Verzweiflung noch den letzten Groschen herausziehen zu lassen!
Diese beiden Beispiele zeigen ganz deutlich, wie wichtig spezialisierte Ärzte und eine professionelle Behandlung für uns Contergangeschädigte jetzt und erst recht in Zukunft sind, damit wir es nicht mehr nötig haben, Hilfe bei solchen Scharlatanen zu suchen!
Angela Dinkel, 17.10.2010